Die Forschung hat in den letzten Jahren verschiedene Testverfahren für Auswahlprozesse entwickelt. Diese Verfahren können die Leistungsfähigkeit von BewerberInnen objektiv und verlässlich vorhersagen.
Heute konzentrieren sich PersonalerInnen bei der Bewerberauswahl oft auf das Bauchgefühl auf Basis von Bewerbungsunterlagen und Vorstellungsgesprächen. Die Forschung hat jedoch gezeigt, dass diese Verfahren die zukünftige Leistungsfähigkeit von BewerberInnen nur begrenzt vorhersagen können (Schmidt & Hunter, 1998).
Darüber hinaus sind diese Methoden stark von der individuellen Wahrnehmung der PersonalerInnen abhängig. So werden automatisch irrelevante Merkmale wie Auftreten, Aussehen und Alter mit bewertet. Diese verzerren die Einschätzung der KandidatInnen stark, da diese nicht prädiktiv für die spätere Leistung sind. Damit werden durch diese herkömmlichen Methoden zum Teil falsche oder gar unternehmensschädigende Entscheidungen getroffen.
Effektive Personalauswahl mit Testverfahren
Um die persönliche und fachliche Eignung von KandidatInnen objektiver und verlässlicher zu erfassen, empfiehlt sich der Einsatz verschiedener Testverfahren. Aussagekräftige Instrumente geben eine gute Prognose in Bezug auf die spätere Berufsleistung und sind dazu ökonomisch und effizient im Hinblick auf die “Time to Hire”. Weiterhin wird die Candidate Journey dadurch positiv beeinflusst.
Leistungs- und Fähigkeitstest
Der Leistungstest soll die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit einer Person messen. Zu den spezifischen Fähigkeitstests zählen Arbeitsproben. Eine Arbeitsprobe ist ein realistischer Auszug einer beruflichen Tätigkeit, die von BewerberInnen ausgeführt wird. Arbeitsproben unterscheiden sich durch Realitätsbezug, Tätigkeitsnähe und Dauer.
Um qualifizierte KandidatInnen zu identifizieren, kann beispielsweise die fachliche Eignung von SoftwareentwicklerInnen mit einer Programmieraufgabe überprüft werden. Ob eine Büroassistenz fachlich geeignet ist, könnte durch eine Aufgabe mit starkem Arbeitskontext, wie die Erstellung eines Serienbriefes, festgestellt werden.
Die Bewertung erfolgt anhand vordefinierter Leistungskriterien. Die Aufgaben werden eindeutig gestellt und haben einen konkreten Bezug zur späteren Tätigkeit. Die korrekte Ausführung, einschließlich des Verständnisses der Instruktionen, lässt sich standardisiert, objektiv und leistungsgerecht bewerten. Seit über 20 Jahren ist bekannt, dass Arbeitsproben eine sehr hohe Aussagekraft über die künftige Arbeitsqualität und Gewissenhaftigkeit eines Kandidaten haben (Schmidt & Hunter, 1998, 2016).
Von der Arbeitsprobe zu unterscheiden ist die Probearbeit. Bei vielen Unternehmen gehört ein Probearbeitstag zum Standard im Bewerbungsprozess. Ein Probearbeitstag bietet nicht nur dem Unternehmen, sondern auch KandidatInnen die Möglichkeit, die Chancen der Zusammenarbeit zu beurteilen und sich einen Eindruck vor Ort zu verschaffen. Da eine Probearbeit jedoch recht kostenintensiv und ressourcenbindend für ein Unternehmen ist, sollte dieses Verfahren nur ausgewählten BewerberInnen ermöglicht werden und muss gut vorbereitet sein.
Leistungs- und Fähigkeitstests sind gleichermaßen für Unternehmen und für KandidatInnen nützlich. Während Unternehmen ihre KandidatInnen auf deren Eignung für eine Stelle prüfen, erfahren BewerberInnen, ob ihnen gefällt, was sie tagtäglich für ein Unternehmen tun werden und können sich besser informiert für einen Job entscheiden.
Intelligenztest
Intelligenztests erfassen die Intelligenzstruktur einer Person in verschiedenen Bereichen, um einen allgemeinen Intelligenzquotienten (IQ) zu ermitteln. Diese Bereiche sind u.a. Sprachverständnis, logisches oder räumliches Denken. Dieser Wert wird im Vergleich zu einer repräsentativen Stichprobe betrachtet, um den IQ einer Person besser einordnen zu können. Im Rahmen der Personalauswahl sind bestimmte Facetten der Intelligenz von Interesse – abhängig davon, welche konkreten Anforderungen ein Job an zukünftige MitarbeiterInnen stellt. Die Forschung hat gezeigt, dass Intelligenztests eine große Vorhersagekraft für den beruflichen Erfolg haben.
Zudem belegen Studien, dass der Intelligenztest bei BewerberInnen akzeptiert ist. Sie schätzten die Messqualität derartiger Testverfahren als hoch ein. Allerdings wird häufig kritisiert, dass der Bezug zum späteren Job nicht klar erkennbar ist. Demnach sollten Recruiter darauf achten, berufsspezifische Anforderungen zu definieren: Für Ingenieure besteht zum Beispiel ein augenscheinlicher Bezug zwischen Job und Intelligenztest, wenn dieser räumliches Vorstellungsvermögen abfragt. Der Bezug besteht aber nicht, wenn diese Fähigkeit bei angehenden Bürokaufleuten überprüft wird.
Wie läuft so ein Test in der Regel ab? KandidatInnen müssen innerhalb einer vorgegebenen Zeit eine Reihe von Aufgaben lösen. Die Aufgaben sind unterschiedlich, jede Art von Intelligenztest beinhaltet spezielle Varianten von Aufgaben. Auch die Gesamtdauer der Tests ist verschieden- ausführliche Tests nehmen 2 Stunden oder mehr in Anspruch. Da alle Intelligenztests unter Zeitdruck bearbeitet werden müssen, bleibt keine Zeit, um sich Tipps zu holen. Abstrakte Intelligenztests funktionieren weitestgehend sprachfrei und sind kulturunabhängig, weshalb sie sich besonders für internationale Auswahlprozesse anbieten.
Unternehmen sollten nicht vor Intelligenztests zurückschrecken, aus Angst durch deren Einsatz geeignete BewerberInnen zu verlieren. Die Tests werden von BewerberInnen anerkannt und der kognitive Leistungstest ist ein effizientes Werkzeug zur Vorhersage von beruflichem Erfolg.
Persönlichkeitstest
Zur Erfassung von Charaktereigenschaften, Zielen, Interessen und Verhaltensweisen von KandidatInnen dienen Persönlichkeitstests. Sie können auf verschiedenen Theorien basieren. Am bekanntesten ist das Modell der Big Five (Costa & McCrae, 1985). Nach diesem wird die Persönlichkeit auf fünf Dimensionen beschrieben: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit.
Nicht alle Eigenschaften sind zwingend entscheidend oder relevant für beruflichen Erfolg. So sollte beispielsweise eine Krankenschwester besser bei den Facetten Offenheit und Verträglichkeit abschneiden, als ein Statiker, der beruflich weniger mit Menschen oder Veränderungen zu tun hat. Persönlichkeitsmerkmale sind ein Prädiktor für beruflichen Erfolg. Sie müssen aber abhängig von der Vakanz immer in Kombination mit weiteren geforderten Eigenschaften und Fähigkeiten gemessen werden, damit eine valide Erfolgsprognose gewährleistet ist.
Das verkannte Potenzial von Persönlichkeitstests für die Personalauswahl
Persönlichkeitstests können Informationen liefern, die das Gesamtbild eines Bewerbers ergänzen, bestätigen oder hinterfragen. Risiken können so verringert und der Erfolg des Unternehmens gesteigert werden. Entgegen der Annahme sind Kandidat:innen gern bereit, einen Persönlichkeitstest im Bewerbungsprozess durchzuführen.
Persönlichkeitseigenschaften weisen einen messbaren Zusammenhang mit beruflichem Erfolg auf, denn sie beeinflussen das Verhalten einer Person auch im Berufsleben. Mit einem berufsbezogenen Persönlichkeitstests können gezielt Eigenschaften erhoben werden, die für eine vakante Stelle relevant sind.
Fazit
Der entscheidende Vorteil von Persönlichkeitstests ist, dass sie neben einem objektiven Eindruck auch eine effiziente Personalauswahl ermöglichen. Werden Persönlichkeitstest zusätzlich zu den oben genannten Verfahren eingesetzt, können sie das Bewerberbild abrunden und die Auswahl von nicht geeigneten KandidatInnen verhindern.
Es empfiehlt sich, Testverfahren vor einem persönlichen Vorstellungsgespräch durchzuführen. Ungeeignete BewerberInnen lassen sich so schon früh im Prozess erkennen. Ebenso können Elemente aus den Tests im Gespräch nochmal aufgegriffen werden.
Die am häufigsten verwendeten Testverfahren im Recruiting sind Arbeitsproben und Persönlichkeitstests. Diese Tests kombiniert, erfassen neben arbeitsrelevanten Kenntnissen und Fertigkeiten von KandidatInnen auch deren persönliche Interessen und Verhaltensweisen, die höchstwahrscheinlich auch im Arbeitsalltag gezeigt werden.
Für ein effektives Recruiting spricht viel dafür, beherzter zu sein und aussagekräftige Instrumente in der Personalauswahl einzusetzen. Gute BewerberInnen sollten anspruchsvolle Auswahlverfahren nicht scheuen. Für Unternehmen, die attraktive Stellen besetzen wollen, gilt dies ohnehin.
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