Ute Neher über den Wandel in der HR-Welt und datenbasiertes Personalmanagement

In unserer Interviewreihe mit Expert:innen aus dem Personalbereich stellen wir regelmäßig interessante Menschen vor. Wir sprechen heute mit Ute Neher. Los geht‘s…

Liebe Ute, bitte stellst du dich unseren Leser:innen kurz vor?

Hallo ich bin Ute Neher, meine Hashtags sind #Humanally #TechEnthusiast und #Datalover. Für mich zählt jeder Mensch. Mit einem human-centric Mindset sind Technik und Daten wichtige Enabler für Entscheidungen und für die digitale Zukunft. Wichtig ist für mich Verantwortung zu tragen und diese zu gestalten. Netzwerke sind meine Energiebooster, daher ist der Queb, der Bundesverband für Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting für mich eine Powerstation mit tollen Mitgliedern, die so bunt und vielfältig sind wie meine Welt. Bei Indeed habe ich ein Netzwerk internationaler Evangelisten, die sich mit Leidenschaft für die Entwicklung von Talent Acquisition einsetzen. Und natürlich habe ich auch immer noch Magenta in meinem Herzen.

Du machst kein Geheimnis daraus - dein Herz schlägt spürbar für HR-Tech. Wie äußert sich das bei dir?

Zum einen, indem ich ganz viel Technik selbst nutze. Mein ganzes Haus ist vernetzt und wird automatisiert gesteuert. Zum anderen lese ich unheimlich gerne Blogs, Foren rund um verschiedene Aspekte der Technik.

Technik ist für mich nichts Negatives, aber ich möchte auch die Themen dahinter verstehen. Ich probiere Neues gerne selbst aus und setzte auch in meinen beruflichen Themenfeldern auf die Technik. Dabei schaue ich gerne über die HR-Grenzen hinaus. Ich habe viel Energie in die Themenfelder rund um Candidate – und Employee Experience gesteckt. Doch der Mut, auf Technik zu setzen, hatte sich bspw. auch während des Startes der Pandemie ausgezahlt: Das Recruiting bei der Telekom, was ich zu dieser Zeit verantwortet hatte, stand keinen einzigen Tag still.

Einige Jahre lang warst du das “HR-Marketing-Gesicht” der Deutschen Telekom. Jetzt bist du kürzlich zu Indeed gewechselt und als Senior Recruitment Evangelist tätig. Was machst du in dieser Position und was reizt dich an deinem neuen Job besonders?

Meine Leidenschaft ist Talent Acquisition. Der Bereich ist voller Dynamik und wird immer mehr durch Daten und Technologie getrieben. Indeed hat mich überzeugt mit dem Angebot, vielen Unternehmen dabei zu helfen, die aktuellen Herausforderungen in der Personalgewinnung zu meistern. Ich kann meine Recruiting-Erfahrungen einbringen und gleichzeitig einen globalen Beratungsansatz bei Indeed mit formen. Die Rolle des Senior Recruitment Evangelist hat keine Grenzen. Genauso wie Indeed, als Unternehmen Vielfalt in verschiedensten Perspektiven lebt. Ich kann mich den Herausforderungen der globalen Talent-Acquisition-Landschaft widmen und gleichzeitig immer wieder auf Entdeckungsreise gehen. Ab Januar werde ich dann das “Idea Center” mit seinen Standorten in Austin und Dublin übernehmen. Eingebettet in ein starkes Netzwerk internationaler Indeed Evangelisten werden wir gemeinsam mit dem Team unser Beratungsangebot weiter ausbauen. Wir verstehen uns als Partner und Berater und inspirieren gleichzeitig in Webinaren und mit Roundtables. Meinen Job zeichnet aus: Vielfalt, Internationalität und Innovation in einem Unternehmen, das deine eigene Entwicklung fördert und fordert und gleichzeitig nicht vergisst, um was es immer geht: Den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.

Die HR-Welt befindet sich im Wandel. Was glaubst du, in welchen Teildisziplinen verändert sich künftig das Berufsbild “des Personalers”?

In allen Disziplinen sehe ich Veränderung, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt. Aber so wie sich das Arbeiten verändert hat, so hat sich auch die Rolle des “Personalers” verändert.

Personaler müssen den internen Wandel in Unternehmen begleiten: Also die Entwicklung von Organisationsmodellen, Strukturen und Prozessen, die durch die digitale Transformation vorangetrieben wird. Wir brauchen Menschen in diesen Positionen, die verstehen, wie sich eine veränderte Demografie und ein verändertes Skillset in Unternehmen integrieren lassen. Diversity ist in den Unternehmen längst angekommen. Die Weiterentwicklung von Inklusion zu einem Belonging zählt zu den wichtigsten Kernaufgaben für das Miteinander. Die Diversifizierung der Arbeitsverhältnisse braucht ein Rahmen, der Spielraum lässt, und gleichzeitig Verbindungen zwischen den Menschen schafft. Nachhaltigkeit, Purpose und der verantwortungsvolle Umgang mit allen Menschen der Organisation sind Felder, die gestaltet werden müssen.

“Der Personaler” ist weit mehr als der Personalentwickler und Entgeltabrechner. Personaler:innen sorgen dafür, dass das Herz des Unternehmens schlagen kann. Und dieses Herz eines jeden Unternehmen sind die Menschen.

Wie müssen sich die Recruiting-Prozesse im Zuge der Digitalisierung konkret verändern, um mit der Zeit Schritt zu halten und effizient zu bleiben?

Candidate Experience ist das Kernelement und bedeutet, dass meine Zielgruppe den “Takt” angibt. Ich glaube, dass wir in den nächsten Jahren noch stärker sehen werden, dass “One-Fits-All” Prozesse ausgedient haben und hier zielgruppenspezifisch agiert werden wird. Ganz im Sinne eines Inclusive Design Ansatzes. Anstelle einer gemeinsamen Norm, suche ich eigene Lösungen für die Zielgruppen, für die meine derzeitige Norm nicht passt. Dabei besteht die große Herausforderung, effizient zu bleiben. Ein paar Grundregeln, die für alle gelten: Automatisieren, wo es möglich ist, z.B beim Finden eines Interview-Termins. Matching als Orientierungshilfe, Transparenz für alle, insbesondere für die Bewerbenden. Kommunikation einfach und schnell gestalten und auf das Notwendige reduzieren. Hier hilft eine digitale Touchpoint-Analyse, um schnell die Schwachstellen in solchen Prozessen aufzudecken.

Wie stehst du zu Testverfahren als valides Auswahlinstrument im Recruiting?

Ich finde Testverfahren oder Online-Assessment extrem sinnvoll, weil es ein validiertes Verfahren ist und einen weiteren Datenpunkt zur Auswahl hervorbringt. Testverfahren zur Selbstselektion können auch eine zusätzliche Orientierung geben. Gerade in der Vorauswahl sind diese zusätzlichen Datenpunkte ein wichtiger Anker für Bewerberzielgruppen, die eine gewisse Homogenität aufweisen bspw. Auszubildende, dual Studierende, Praktikanten, Trainees uvm.

Grundsätzlich hilft ein objektives Verfahren nicht die “falschen” auszusortieren, sondern die richtigen zu filtern.

Wie evaluiert ihr bei Indeed das fachliche Know-How eurer Bewerber:innen?

Indeed kennt die Power von Testverfahren und hat selbst auf der Indeed Recruiting Platform unterschiedlichste Skill-Testverfahren automatisiert hinterlegt. So kann jeder Bereich, der einstellt, die Verfahren auswählen, die zu dem ausgeschriebenen Job passen. Ich selbst besetze auch gerade eine Stelle und habe mich im Ablauf für ein strukturiertes Interview und eine Case-Study mit Präsentation entschieden. Bei der Auswahl gilt: Das Verfahren muss jobbezogen zusammengestellt werden.

Stichwort KPIs im Recruiting: Welche KPIs sollten von guten Personaler:innen mindestens erhoben werden?

Erst einmal bin ich überzeugt, dass viele Personaler:innen gerne mehr Daten erheben würden, aber ihnen die notwendigen Tools fehlen und es viel Unsicherheit in Bezug auf den Datenschutz gibt. Natürlich arbeiten wir immer mit personenbezogenen Daten, und wir brauchen Workflows und Tools, um diese sicher nutzen zu können. Das ist unsere Verantwortung gegenüber den Bewerbenden.

Aber ihr habt ja nach dem Minimum gefragt, daher starte ich mal mit diesen vier:

  • Channel Effectiveness – Welche Kanäle bringen mir wie viele Klicks auf meinen Job?

  • Apply Starts: Wie viele starten dann eine Bewerbung?

  • Time to Hire – Wie lange dauert mein Recruitingprozess?

  • Offer Acceptance Rate – Wie gut ist mein Jobangebot?

Natürlich ist das nur ein Tropfen auf einen sehr heißen Stein und es gibt viele KPIs, die ich mir zusätzlich anschauen sollte. Number of Applications vs. Number of Qualified Candidates: Was nutzen mir viele Bewerber, wenn es nicht die richtigen sind? Wenn ich das jetzt noch auf meinen Kanal bezogen anschaue, bin ich bei der Sourcing Channel Efficiency. Bei Daten und KPIs gilt: Starten, aber lieber klein starten, um auch die Zeit zu haben, die Daten zu analysieren.

Welchen Tipp hast du insbesondere für kleinere Unternehmen mit einem schmalen Budget in Bezug auf die Stellenbesetzung und hinsichtlich Sichtbarkeit?

Suchmaschinenoptimierung (SEO) ist Pflicht. Gerade bei kleineren Unternehmen sucht man weniger spezifisch, d.h. auffallen auf der ersten Seite geht nur mit Keywords. Auch hier gilt es, die Sprache des Unternehmens abzulegen und die Zielgruppe in den Fokus zu setzen: Was sucht deine Zielgruppe, welche Wörter und Begrifflichkeiten nutzt sie? Bei Indeed bieten wir hier auch regelmäßige Webinare zum Thema “How Search Works” an, weil wir daran glauben, dass dies die Grundlage für erfolgreiches Recruiting ist.

Wie informierst du dich selbst über neueste HR-Entwicklungen und Trends? Welche Rolle spielen Kongresse und Netzwerke zum Erfahrungsaustausch für dich?

Ich liebe Blogs, Foren, Kongresse und kleine Events. Ich bin auch ein großer Fan auditiver Formate wie Podcast oder Clubhouse und natürlich Social Media. Meine eingerichteten Google Alerts sind meine täglichen Inspirationen, auch mit Themen rund um Technik im Allgemeinen. Dabei achte ich darauf, ein globales Bild zu bekommen, um verschiedene Impulse aus den Märkten aufzunehmen. Gerade HR ist ein globales Themenfeld und über HR-Grenzen hinweg gibt es auf verschiedenen Gebieten Inspirationen.

Welchen Experten und/oder Vorbild im HR würdest du uns als nächsten Interviewpartner empfehlen?

Anja Lüthy, weil sie einfach laut ist und auch nicht leiser wird. Sie kämpft für die Frauen. Aber vor allem auch, weil sie für HR Excellence kämpft und seit Jahren in diesem Umfeld unterwegs ist.

Liebe Ute, herzlichen Dank für die spannenden Einblicke und deine Bereitschaft zu diesem Interview. Viel Erfolg bei deinen neuen beruflichen Herausforderungen!

Ute Neher ist eine der erfahrensten HR-Expertinnen Deutschlands.

Durch ihre langjährige Tätigkeit als HR Marketing Lead und Head of Global Talent Acquisition bei der Deutschen Telekom ist sie Spezialistin im Bereich Recruiting.

Seit September 2021 ist sie als Senior Recruitment Evangelist mit Fokus auf Diversity und Talentgewinnung bei Indeed tätig. Ihre HR-Leidenschaft gilt vor allem den Themen HR-Marketing, Employer Branding und datadriven-Recruiting: Sie selbst beschreibt sich als Tech- und Data-Enthusiastin, stets aber mit dem Menschen im Fokus.

Seit 2019 engagiert sie sich ehrenamtlich als stellvertretende Vorstandssprecherin des Queb – dem Bundesverband für Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting.

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